Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 05/2021

Was macht Thüringen aus, wo stehen wir, wo wollen wir hin? Aus wirtschaftlicher Sicht ist natürlich der zuständige Minister Wolfgang Tiefensee erster Ansprechpartner für diese Fragen. Im Interview mit demWIRTSCHAFTSSPIE- GEL stellt er dem Freistaat ein recht gutes Zeugnis aus. Der Minister spricht dabei über gelungene Beispiele für flexibles Thüringer Unternehmertum, beleuchtet den Stand der Digitalisierung im Freistaat, verhehlt aber nicht den Aufholbedarf, den Thüringen noch hat. Und schließlich äußert sich der Sozialdemokrat auch noch über die Chancen, die das aktuelle politische Patt im Landtag bietet. Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee im Interview „Wir verkaufen gute Produkte und innovative Technologien“ Herr Minister, in dieser Ausgabe des WIRTSCHAFTSSPIEGEL geht es um den Wirtschaftsstandort Thüringen. Lassen Sie uns also darüber reden, wie der Frei- staat derzeit wirtschaftlich aufgestellt ist. Sie sind trotz Corona in den Unter- nehmen im Land unterwegs gewesen – im August zum Beispiel auf Ihrer Som- mertour. Inwieweit hat die Thüringer Unternehmerschaft die Pandemie nicht nur als Problem sondern auch als Chan- ce begriffen? Es gibt viele Beispiele für Unternehmen, die die Krise als Chance begriffen haben – etwa, indem sie auf coronataugliche Produkte umgestellt haben. Ich denke da zum Beispiel an die Maskenproduk- tion bei Breckle in Weida oder an die Firma Boxmeisters in Harth-Pöllnitz, die Seecontainer in Zugangsschleusen um- baut. Andere haben die Krise genutzt, um sich mit ihren Produkten und Angeboten selbständig zu machen – Unternehmen wie Polytives, Tediro, Spaceoptix oder Sojka Solutions, die allesamt zu den diesjährigen ThEx-Award-Gewinnern zählen. Und wieder andere nutzen die momentane Phase, um notwendige Investitionen anzuschieben. Wir registrieren derzeit eine deutlich gestiegene Investitionsbereitschaft, die sich nicht zuletzt in einem enormen Ansturm auf unsere Förderprogramme äußert. In der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) zum Beispiel stehen Anträgen mit einem För- dervolumen von mehr als 170 Millionen Euro aktuell noch 80 Millionen Euro an Fördermitteln gegenüber. Und das, obwohl wir über ein Sonderprogramm in die- sem Jahr besonders viel Geld für diesen Bereich be- reitgestellt haben. Eines der Hauptthemen dieser Tage ist die Digitalisie- rung. Als Thüringens Digitalminister stehen Sie dabei besonders im Wind. Was ist gelungen und wo klemmt es noch? Gemeinsam mit dem Bund stellen wir mehr als 450 Millionen Euro für den Breitbandausbau bereit – da geht es sichtbar voran. Bereits jetzt sind 92 Prozent der Haushalte in Thüringen mit mehr als 50, immer noch 85 Prozent der Haushalte mit 100 Megabit schnellem Internet versorgt, die verbleibenden „wei- ßen Flecken“ werden zügig geschlossen. Für den nächsten großen Schritt – den ins Gigabit-Zeitalter – haben wir die Glasfaserstrategie aufgelegt und mit der Gründung der Thüringer Glasfasergesellschaft durch den Kommunalen Energiezweckverband auch die Vor- aussetzung dafür geschaffen, den geförderten Breit- bandausbau künftig koordiniert aus einer Hand zu betreiben. Außerdem kommen wir mit unserer Digital- strategie gut voran. Alle ursprünglichen rund 50 Projekte, die wir uns Anfang 2018 vorgenommen haben, sind umgesetzt oder laufen, viele neue Vorhaben sind dazugekommen. Also: Es klemmt nicht, aber viele Dinge müssen umge- setzt und abgearbeitet werden. Das geht nicht über Nacht. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das man immer wieder hört: die Ausstattung der Schulen mit WLAN. Was nützen ganze Klassensätze von Tablets, wenn sie nicht sinnvoll einge- setzt werden können? Sicher ist das in erster Linie ein Thema für die Schulträ- ger, aber kann das Land da nicht freund- lich, aber bestimmt, durch finanzielle Motivation Einfluss nehmen? Als Wirtschaftsminister nehme ich nicht auf die Schulen Einfluss, das überlasse ich meinem Kollegen Holter. Wenn es Ihnen aber um die Frage der Breitband- anschlüsse geht, dann sage ich Ihnen: Praktisch alle Schulen haben heute schon Internetzugang – und die Situa- tion wird sich perspektivisch weiter ver- bessern, weil es gelungen ist, fast 900 der insgesamt 1000 Thüringer Schulen in die Förderprojekte des Landes und Bundes einzubeziehen. Privatwirtschaft- liche Anschlussvorhaben von Schulen sind hier noch nicht einmal eingerech- net. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Zitat einer Bundesministerin auf- greifen. Brauchen wir „5G nicht an jeder Milchkanne“, oder hilft der Breitband- ausbau auch dem ländlichen Raum? Anders als manche Mitglieder der Bun- desregierung trete ich dafür ein, auch die mittelständischen Betriebe und Haushalte im ländlichen Raum ange- messen und zügig an das ultraschnelle 5G-Netz anzuschließen. Damit sind ganz neue technische An- wendungen wie die vernetzte Produk- Thüringen 7

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